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Zuschätzung im Besteuerungsverfahren entspricht nicht der Höhe der hinterzogenen Steuer im Steuerstrafverfahren

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Ein Steuerhinterzieher schleicht sich mit einem Geldkoffer davon - im Hintergrund ein großes Eurostück

Häufig ist zu beobachten, dass die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) des Finanzamts in einem steuerstrafrechtlichen Verfahren im Hinblick auf die Höhe der Steuerhinterziehung die steuerlichen Zuschätzungen übernimmt, die zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen des Besteuerungsverfahrens gemacht worden sind. Dies ist nicht ohne weiteres zulässig. Rechtsanwältin Julia Hackl (Fachanwältin für Steuerrecht) erklärt, warum gute Chancen für eine Verteidigung bestehen.

Zuschätzungen im Rahmen des Besteuerungsverfahrens

Foto: Rechtsanwältin Julia Hackl (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RAin Julia Hackl

Die Anforderungen im Besteuerungsverfahren sind niedriger als im Steuerstrafverfahren. Im Besteuerungsverfahren ist nach § 158 AO eine formell ordnungsgemäße Buchhaltung zugrunde zu legen. Etwas anderes gilt nur, wenn das Finanzamt nachweisen kann, dass die Buchführungsergebnisse sachlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zutreffend sind. Häufig greift das Finanzamt hierzu auf die sog. Richtsatzsammlung zurück. Die dort aufgeführten Richtsätze dienen der Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen. Werden die Werte aus der Richtsatzsammlung nicht erreicht, werden Zuschätzungen vorgenommen. Die Richtsatzsammlung ist hierfür jedoch eigentlich kein geeignetes Instrument – insbesondere da hinsichtlich ihrer Datenbasis Intransparenz besteht. Die Richtsatzsammlung kann, wenn Mängel an der Buchführung vorliegen, höchstens für die Höhe der Zuschätzungen herangezogen werden. Aufgrund der eingeschränkten Datenbasis gibt sie kein vollständiges Spiegelbild der wirtschaftlichen Realität. Die Werte müssen im Einzelfall nach den individuellen Gegebenheiten angepasst werden. Allerdings wird, um Mängel an der Buchhaltung zu begründen, nach unseren Eindrücken in der Praxis nach wie vor auf die Richtwertsammlung zurückgegriffen.

Steuerstrafrechtliche Zuschätzungen bei Steuerhinterziehung

An eine steuerstrafrechtliche Zuschätzung sind weitaus höhere Ansprüche zu stellen. Dem Beschuldigten, d.h. dem „Steuerhinterzieher“ muss die Tat, d.h. auch die Höhe der hinterzogenen Steuern, zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die bloße Vermutung, dass Fehler vorliegen, reicht hierfür nicht aus. Schätzungen sind im Steuerstrafverfahren nur zulässig, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Beschuldigte einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat und lediglich die Höhe ungewiss oder nicht mehr völlig aufzuklären ist. Von daher muss unabhängig von dem Rückgriff auf die Richtsatzsammlung die Erfüllung des Steuerstraftatbestandes, d.h. in der Regel die Steuerhinterziehung für den Richter zweifelsfrei feststehen. Die Schätzung aufgrund der Richtsatzsammlung ist als ultima ratio erst dann zulässig, wenn alle weiteren Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Fazit

Das heißt: Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Schätzung in den verschiedenen Verfahren kann die BuStra die im Besteuerungsverfahren im Rahmen der Schätzung festgestellte Steuer nicht 1:1 im Steuerstrafverfahren zugrunde legen. Dies bietet einen durchaus interessanten Verteidigungsansatz in einer Vielzahl von Steuerstrafverfahren.

Text: RAin Julia Hackl, Fachanwältin für Steuerrecht und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Beitragsbild: Bearb., Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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