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Wirecard-Insolvenz: Die Ansprüche der Anlegerinnen und Anleger

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WireCard Insolvenz - was Anlager jetzt tun können

Am 25.06.2020 hat das Zahlungsdienstleistungsunternehmen Wirecard AG einen Insolvenzantrag gestellt. Der Kurs der Wirecard-Aktie ist infolge der Geschehnisse dramatisch eingebrochen und lag zwischenzeitlich sogar bei unter 2 Euro. Dieser extreme Kurseinbruch hat erhebliche Verluste für die Wirecard-Anleger zur Folge. Eine Einschätzung zu den Möglichkeiten für betroffene Anlegerinnen und Anleger, ihre Verluste ersetzt zu bekommen.

Der Wirecard-Skandal

Foto: Rechtsanwalt Dr. Erik Besold (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RA Dr. Erik Besold

Bei Wirecard handelt es sich um ein Zahlungsdienstleistungsunternehmen, das auf die bargeldlose Abwicklung von Zahlungen spezialisiert ist. Bereits in den vergangenen Jahren stand bei Wirecard immer wieder der Verdacht im Raum, dass die Buchführung nicht korrekt ist. Anfang 2019 erschienen kritische Berichte in der Financial Times, unter anderem wurde der Verdacht von Straftaten geäußert. Dies führte bereits im Januar 2019 zu einem ersten Kurseinbruch der Wirecard-Aktie. Bereits Mitte Februar 2019 wurden erste Klagen in den USA erhoben. Infolge der Berichterstattung verhängte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 18.02.2019 ein Leerverkaufsverbot. Als im weiteren Verlauf immer wieder Verdachtsmomente geäußert wurden, kündigte Wirecard im Oktober 2019 die Durchführung einer Sonderprüfung mit dem Ziel an, die Vorwürfe zu entkräften. Der Prüfbericht der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde am 28.04.2020 publiziert. Der Prüfbericht konnte aber weder zur Entlastung noch zur Belastung beitragen, da die Buchführung offensichtlich nicht nachvollziehbar war. Daraufhin stürzte die Wirecard-Aktie ab. Am 18.06.2020 wurde dann auch noch bekannt, dass für Bankguthaben auf Treuhandkonten im Wert von etwa 1,9 Milliarden Euro kein Nachweis vorhanden ist und das Geld daher voraussichtlich nicht existiert. Insgesamt dürften aufgrund der offensichtlich fehlerhaften Bilanzen und Bekanntmachungen viele Anleger von Wirecard drastische Verluste bzw. Schäden erlitten haben.

Gegen wen können Anlegerinnen und Anleger ihre Ansprüche geltend machen?

Viele Anleger hoffen nun, zumindest Teile des Kursverlustes ersetzt zu bekommen. Es gilt daher zu prüfen, gegen wen solche Ansprüche überhaupt geltend gemacht werden können und wie die Erfolgsaussichten sind.

a) Ansprüche gegen Wirecard
Gegen Wirecard wurden bereits erste Klagen eingereicht. Die Klagen sind regelmäßig auf den Ersatz der Kursdifferenzschäden nach § 97 WpHG gerichtet. Konkret wird Wirecard vorgeworfen, Insiderinformationen zu mangelhafter Bilanzierung und fehlenden Compliance Systemen nicht veröffentlicht zu haben. Es wurde auch bereits Antrag auf Durchführung eines Musterverfahrens nach dem KapMuG gestellt. Sollte ein solches vom Obersten Landesgericht in Bayern angeordnet werden könnten sich Betroffene auch ohne eigene Klage diesem Verfahren zunächst anschließen.

Dies hat zum Vorteil, dass die Teilnahme an einem Kapital Anleger Musterverfahren kostengünstig ist und dennoch die Verjährung der Ansprüche hemmt. Die Entscheidung im Musterverfahren hat jedoch keine direkte Bindungswirkung, wenn nicht vorher bereits Klage erhoben worden ist, das bedeutet, dass nach Abschluss Musterverfahrens jedenfalls eine eigene Klageerhebung unumgänglich sein dürfte.

Da nunmehr allerdings Insolvenzantrag gestellt wurde, besteht kaum Hoffnung, dass Wirecard die Ansprüche der Anleger in nennenswerter Höhe befriedigen können wird. Hier gilt es zu beobachten, wie es mit Wirecard weitergeht.

b) Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer
Es wurden auch bereits erste Klagen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young erhoben bzw. angekündigt. Diese haben jahrelang als Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss von Wirecard geprüft und mit dem Abschlussvermerk versehen. Hier stellt sich die Frage, ob bei der Jahresabschlussprüfung Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Hierzu kann möglicherweise der KPMG-Bericht vom 28.04.2020 Anhaltspunkte liefern. Besonders kritisch zu hinterfragen sein wird die Rolle von Ernst & Young bei den nicht vorhandenen Bankguthaben von 1,9 Milliarden Euro auf den Philippinen.
Ob ein solches Vorgehen erfolgsversprechend ist, bedarf unseres Erachtens einer ausführlichen Prüfung, die derzeit durchgeführt wird. Auch wenn solche Ansprüche begründet sein sollten, dürfte sich abermals die Frage nach der Werthaltigkeit stellen, dass sicherlich eine Vielzahl von Klagen erhoben werden wird.

c) Ansprüche gegen weitere Haftungsgegner: Wirecard-Vorstandsmitglieder und BaFin
Im Zuge der weiteren Aufarbeitung des Wirecard-Skandals könnten auch noch weitere Beteiligte für die Anleger interessant werden. Als Haftungsgegner kommen z.B. ehemalige Vorstandsmitglieder in Betracht, wenn sich die Vorwürfe gegen diese weiter erhärten. Insbesondere die Herren Markus Braun und Jan Marsalek (dessen Aufenthalt derzeit unbekannt ist) dürften haftbar gemacht werden. Auch die beiden anderen Vorstandsmitglieder Alexander von Knoop und Susanne Steidl könnten in Anspruch genommen werden, nachdem sie möglicherweise ihrer Kontrollpflicht gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern nicht nachgekommen sind. Auch wenn solche Ansprüche gegeben sein sollten, wird sich vor dem Hintergrund der Anspruchshöhe die Frage stellen, ob die Ansprüche realisiert werden können.

Es wurden auch bereits erste Klagen gegen die BaFin eingereicht, die ihr vorwerfen, ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt zu haben. Für eine Bewertung der Erfolgsaussichten ist es aus unserer Sicht jedoch noch zu früh. Erst wenn sich der Sachverhalt etwas klarer darstellt, kann ausreichend beurteilt werden, ob der BaFin tatsächlich haftungsrelevante Fehler unterlaufen sind.

Fazit

Ob, wann und von wem geschädigte Anleger ihre Verluste zurück erhalten, ist derzeit nicht absehbar, da die Lage noch sehr unübersichtlich ist. Insbesondere die Frage ob und wie es mit Wirecard selbst weitergeht, dürfte dabei eine interessante Rolle spielen. Die Aufarbeitung dieses Skandals wird sicherlich noch Jahre benötigen. Unabhängig hiervon ist es nicht nachvollziehbar, warum sich trotz zahlreicher Kontrollmechanismen ein solcher Skandal ereignen konnte. Gespannt sein darf man dabei auch auf die Erkenntnisse des Insolvenzverwalters Jaffé, der bekanntermaßen auch Insolvenzverwalter in den P & R-Insolvenzen ist.

Text: RA Dr. Erik Besold und RAin Sabrina Schmitt
Beitragsbild: Bearb., Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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