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Wichtige gesetzliche Änderungen im Vormundschafts- und Betreuungsrecht zum Jahresbeginn 2023

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Titelbild: Hände unterzeichnen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung

Zum 01.01.2023 sind wichtige gesetzliche Änderungen im Vormundschafts- und Betreuungsrecht in Kraft getreten, die auch Auswirkungen auf die Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungen haben. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Neuerungen von Rechtsanwältin Bettina Henschel (Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Erbrecht).

Was bleibt: Vorsorgevollmacht vor gesetzlicher Betreuung (Das Subsidiaritätsprinzip)

Foto: Rechtsanwältin Bettina Henschel (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RAin Bettina Henschel

Der Gesetzgeber hält nach wie vor am Subsidiaritätsprinzip fest, wonach eine Vorsorgevollmacht vorrangig zu berücksichtigen ist, bevor eine gesetzliche Betreuung angeordnet wird. Ausnahmsweise muss die Vollmacht im Einzelfall vom Betreuungsgericht auf eine Interessenkollision geprüft werden, wenn ein Mitarbeiter von Pflegediensten oder anderen ambulanten Diensten, die im Rahmen der Versorgung des Vollmachtgebers tätig sind, von diesem als Bevollmächtigter benannt wird.
Wie bisher sollen die Wünsche des Betreuten berücksichtigt werden. Dies gilt hinsichtlich persönlicher Wünsche, als auch für die Auswahl des Betreuers.

Berufliche Betreuer müssen sich registrieren lassen

Zur Sicherung der Qualität der beruflichen Betreuung müssen sich nun berufliche Betreuer registrieren lassen, wobei eine gewisse Sachkunde, persönliche Eignung und Zuverlässigkeit nachgewiesen werden müssen.

Ärzte haben Zugriff auf das zentrale Vorsorgeregister

Neu ist außerdem, dass die Patientenverfügung isoliert auch im zentralen Vorsorgeregister der Notare eingetragen werden kann. Während bislang nur Gerichte Zugriff auf das zentrale Vorsorgeregister hatten, ist dies neuerdings auch für Ärzte möglich, so dass diese schneller handeln können.

Ein gegenseitiges gesetzliches Ehegattenvertretungsrecht tritt in Kraft

Eine wesentliche Neuerung der Reform ist die Einführung eines gegenseitigen gesetzlichen Ehegattenvertretungsrechts. Dieses umfasst allerdings nur Gesundheitsangelegenheiten im weiteren Sinn und ist zeitlich auf eine Vertretungsdauer von 6 Monaten beschränkt. Zweck des neuen Rechtsinstituts ist die Sicherstellung einer ärztlichen Akutversorgung des Betroffenen, z. B. im Fall eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts, ohne dass es eines Betreuungsverfahrens bedarf. Im Fall des Getrenntlebens oder dann, wenn eine ausdrückliche Ablehnung vorliegt, gilt das Ehegattenvertretungsrecht allerdings nicht.

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung bleiben weiterhin wichtig

Trotz des neuen Ehegattenvertretungsrechts bleibt es von zentraler Bedeutung, sich im Rahmen einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung selbstbestimmt um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Nur darin lassen sich z. B. konkrete Behandlungswünsche festhalten. Außerdem gilt das Ehegattenvertretungsrecht nur für gesundheitliche Angelegenheiten, nicht aber für den Vermögensbereich: Ohne Vorsorgemollmacht können Ehepartner im Rahmen des Ehegattenvertretungsrechts weder Behördengänge für den hilfsbedürftigen Partner erledigen, noch offiziell die Post öffnen oder Rechnungen mit dessen Geld bezahlen. Und: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Da das Notvertretungsrecht auf sechs Monate beschränkt ist, kann und soll es weitere Regelungen nicht ersetzen. Bei länger anhaltenden Krankheitszuständen hilft es also nicht weiter. Ist keine Vorsorgevollmacht vorhanden, wird nach sechs Monaten das Betreuungsverfahren eingeleitet.
Unser Rat: Regeln Sie trotz der gesetzlichen Änderungen Ihre Angelegenheiten rechtzeitig und selbstbestimmt im Rahmen einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung. Falls Sie Fragen dazu haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Text: RAin Bettina Henschel, Fachanwältin für Familienrecht | Fachanwältin für Erbrecht
Titelbild: Bearb., Foto von Romain Dancre auf Unsplash

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