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EuGH kippt deutsche Muster-Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge

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Zum Schutz des Verbrauchers gehört zu jedem Vertrag eine umfassende, unmissverständliche und eindeutige Widerrufsbelehrung. Das gilt auch für Darlehensverträge. Um die Widerrufsfrist in Gang setzen zu können, ist es nötig, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern im Rahmen des jeweiligen Vertrags sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben mitgeteilt werden. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil gefällt, das für eine Welle von Darlehensvertragswiderrufen führen könnte.

Aus für die Kaskadenverweisung

Foto: Dr. Erik Besold
RA Dr. Erik Besold

Der EuGH hat mit Urteil vom 26.03.2020 (Aktenzeichen C-66/19) konstatiert, dass es bei der Widerrufsbelehrung zu Verbraucherkreditverträgen nicht ausreicht, wenn in der Belehrung hinsichtlich der Pflichtangaben zum Fristbeginn auf eine nationale Vorschrift verwiesen wird, die selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verweist (sogenannte „Kaskadenverweisung“). Laut des Urteils erklärt der EuGH eine solche Widerrufsbelehrung für unwirksam. Demzufolge stünde den Verbraucherinnen und Verbrauchern als Darlehensnehmer noch ein jederzeit ausübbares Widerrufsrecht zu, begrenzt durch Aspekte von Treu und Glauben, insbesondere in Form der Verwirklichung des Widerrufsrechtes. Ein solches Widerrufsrecht kann vor dem Hintergrund sinkender Zinsen wirtschaftlich höchst interessant sein. Es könnte insbesondere auch eine Umschuldung ohne Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung ermöglichen.

Von Banken verwendete Musterwiderrufsbelehrungen ungültig?

Das Problem an dem Urteil ist aber folgendes: Die vom EuGH als unzulässig erachtete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster für eine Widerrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (gemäß Anl. 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB). Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 3 EGBGB fingiert nun von Gesetzes wegen, dass diese Musterwiderrufsbelehrung gesetzeskonform ist. Zudem normiert § 356 b Abs. 2 S. 4 BGB, dass das Widerrufsrecht bei einem Immobilien-Darlehensvertrag spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss erlischt. Wenn also die Bank die Musterwiderrufsbelehrung verwendet hat, was nach unseren Erfahrungen stets der Fall ist, sieht sie sich der Gefahr von entsprechenden Widerrufen ausgesetzt. Es ist also eine neue Welle von Darlehensvertragswiderrufen denkbar und zu warten. Nach unseren Erfahrungen wird das Urteil des EuGH daher wohl sämtliche Verbraucherdarlehensverträge betreffen.

Die Rolle des Bundesgerichtshofs

Trotz aller Euphorie über das EuGH-Urteil wird man abwarten müssen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden wird. Insofern hat auch der EuGH mit Urteil vom 11.09.2019 (Aktenzeichen C-143/18, Rechtssache Romano) entschieden, dass weitere Bestimmungen des deutschen Verbraucherdarlehensrechtes gegen europäisches Recht verstoßen. Der BGH ist dem mit Urteil vom 15.10.2019 (Az. XI ZR 759/17) entgegengetreten und der Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich nicht gefolgt. Er hat dies damit begründet, dass es dem Gesetz widersprechen würde, die Rechtsprechung des EuGH anzuwenden. Insofern seien die deutschen Bestimmungen eindeutig. Der Bundesgerichtshof müsste sich, um den Vorgaben des EuGH zu entsprechen, gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers stellen. Dies sei dem Bundesgerichtshof aber durch das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip verboten.
 
Die weitere Entwicklung bleibt daher mit Spannung abzuwarten. Die Entscheidung des EuGH beruht auf einem Vorlagebeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 17.01.2019, Az. 1 O 164/18, sodass mit einer zeitnahen Entscheidung des BGH wohl nicht gerechnet werden kann.
 
Auch wenn die Entscheidung des EuGH vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes richtig ist, zieht sie doch zahlreiche Rechtsunsicherheiten nach sich. Gleichwohl ist die weitere Entwicklung der Angelegenheit aus juristischer Sicht äußerst spannend.

Update vom 24.04.2020: Der Bundesgerichtshof hat sich äußerst schnell mit dem Urteil des (EuGH) befassen können. In zwei Urteilen vom 31.03.2020 (Az. XI ZR 581/18 und XI ZR 198/19) hat er geurteilt, dass er aufgrund des eindeutigen Wortlautes der deutschen Bestimmungen sowie des Umstandes, dass Immobiliendarlehensverträge gar nicht unter die Verbraucherkreditrichtlinie fallen, die vom EuGH als fehlerhaft erachtete Widerrufsbelehrung als ordnungsgemäß erachtet. Hier das vollständige Update.

 

Text: Dr. Erik BesoldRechtsanwalt | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Abb.: aymane jdidi auf Pixabay

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