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Persönliche Haftung der Gesellschafter einer englischen Limited – Rechtsfähigkeit nach dem Brexit

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Titelbild: Ein Gesellschafter einer Limitid steht vor einem Fenster mit verschlossener Jalousie.

Gesellschafter ausländischer Gesellschaftstypen aus Ländern, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder des EWR-Abkommens sind, tragen das Risiko einer persönlichen und unbeschränkten Haftung mit ihrem gesamten Privatvermögen gegenüber Gesellschaftsgläubigern. Für die Gesellschaft besteht das Risiko der fehlenden Rechtsfähigkeit. Ein Beitrag von Rechtsanwältin Dr. Ana Maria Heymann-Lano LL. M. (Univ. of Iowa).

Gesellschafter ausländischer Gesellschaftsformen aus nicht EU-Staaten müssen das Risiko einer persönlichen Haftung in Betracht ziehen

Foto: Rechtsanwältin Dr. Ana Maria Heymann-Lano (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RAin Dr. Heymann-Lano

Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 05.08.2021 (OLG München, Urteil vom 05.08.2021, 29 U 2411/21 Kart.) die Rechtsfähigkeit einer englischen „Private Company Limited by Shares“ (nachfolgend: Limited) nach dem Brexit verneint. Aus Sicht des OLG–München ist die Limited wie eine deutsche Personengesellschaft (GbR oder oHG) bzw., wenn an der Limited nur ein Gesellschafter beteiligt ist, wie ein Einzelunternehmen zu behandeln mit der Folge, dass ihre Gesellschafter in Deutschland unbeschränkt und mit ihrem gesamten Privatvermögen haften.

Hintergrund der Entscheidung war der Antrag einer englischen Limited vor dem Landgericht München auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Limited unterlag in erster Instanz und legte beim OLG-München Berufung ein. Das OLG-München hat die Berufung der Limited wegen fehlender Rechtsfähigkeit als unzulässig zurückgewiesen. Im vom OLG-München entschiedenen Fall war nur ein Gesellschafter an der Limited beteiligt, weshalb das Gericht die Limited als Einzelunternehmen behandelte. Die Limited selbst war nicht rechtsfähig. Dass sie vom OLG-München als Einzelunternehmen behandelt wurde, konnte nichts an der fehlenden Rechtsfähigkeit ändern, da ein Einzelunternehmen ebenfalls nicht rechtsfähig ist.

Die Limited steht nach deutschem Gesellschaftsrecht als Gesellschaftsform nicht zur Verfügung

Bei einer Gesellschaft aus einem Staat - der wie Großbritannien nach dem Brexit - nicht Mitglied der Europäischen Union und nicht Partei des mit der Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens ist, wird nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht das Recht, an dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (und nicht das Recht ihres Gründungsstaates) angewendet. Der tatsächliche Verwaltungssitz ist der Ort, an dem grundlegende Entscheidungen des Unternehmens in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Wenn die Limited die grundlegenden Entscheidungen in Deutschland laufend umsetzt, ist auf sie deutsches Gesellschaftsrecht anwendbar. Wo die Gesellschaft gegründet wurde, ist dagegen irrelevant. Das deutsche Gesellschaftsrecht bestimmt die in Deutschland zur Verfügung stehenden Gesellschaftstypen abschließend (numerus clausus).

Die Limited steht nach deutschem Gesellschaftsrecht als Gesellschaftsform nicht zur Verfügung. Die Limited – so das OLG-München – sei daher mit einer deutschen Personengesellschaft oder einem Einzelunternehmen vergleichbar. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft (GbR und oHG) sowie Inhaber eines Einzelunternehmens haften ihren Gläubigern gegenüber unmittelbar und mit ihrem gesamten Privatvermögen. Dass die in England gegründete Limited nach englischem Recht rechts- und parteifähig ist und ihre Gesellschafter nur beschränkt mit dem Gesellschaftsvermögen und nicht mit ihrem Privatvermögen haften, war im vom OLG-München entschiedenen Fall irrelevant, weil das englische Recht keine Anwendung fand.

Der Fall „Air Berlin PLC“

Aktuell erwägt der Insolvenzverwalter der insolventen „Air Berlin PLC“ die deutsche Muttergesellschaft in die Haftung zu nehmen (Welt: „Insolvenzverwalter von Air Berlin hofft auf Milliardenbetrag“ veröffentlicht am 26.06.2021). Wenn die englische „Air Berlin PLC“ entsprechend einer deutschen Personengesellschaft zu behandeln ist, haftet ihre Muttergesellschaft persönlich und unmittelbar für deren Schulden. Gesellschafter ausländischer Gesellschaftsformen aus nicht EU-Staaten sollten daher das Risiko einer persönlichen Haftung in Betracht ziehen und evtl. Maßnahmen zur Haftungsvermeidung treffen.

Text: RAin Dr. Ana Maria Heymann-Lano LL. M. | Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht
Titelbild: Bearb., Bild von mhouge auf Pixabay.

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