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Erstattungsanspruch des Arbeitgebers bei behördlichen Quarantäneanordnungen und Tätigkeitsverboten

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Titelbild: Maske auf Laptop-Tastatur

Viele Arbeitnehmer*innen waren in den letzten Wochen und Monaten von einer behördlichen Quarantäneanordnung bzw. einem Tätigkeitsverbot aufgrund der weltweiten Pandemie des SARS-CoV-2 Virus betroffen. Sie konnten ihrer Tätigkeit für einen gewissen Zeitraum nicht nachgehen – das Arbeitsentgelt wurde dennoch weiterbezahlt, nämlich vom Arbeitgeber. Der wiederum kann sich auf Antrag die geleistete Entschädigung von den zuständigen Behörden erstatten lassen. Inzwischen wurden bereits einige dieser Anträge von den Behörden bearbeitet – und zur Verwunderung vieler Arbeitgeber wurden oftmals weniger Ausfalltage als beantragt erstattet. Wie in diesem Fall vorzugehen ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach IfSG

Foto: Rechtsanwalt Martin Kühnlein, Fachanwalt für Verwaltungsrecht (Nürnberg)
RA Martin Kühnlein

Wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) unter Quarantäne gestellt oder mit einem Tätigkeitsverbot belegt wird und einen Verdienstausfall erleidet, ohne krank zu sein, erhält grundsätzlich eine Entschädigung (§ 56 IfSG). Bei Arbeitnehmer*innen hat der Arbeitgeber für längstens sechs Wochen die Entschädigung auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag erstattet (§ 56 Abs. 5 IfSG).

Zahlreiche solcher Anträge wurden bereits gestellt. Über eine Vielzahl dieser Anträge wurde in den letzten Wochen auch schon entschieden – jedenfalls für die Ausfallzeiten zu Beginn der Pandemie. So erhielten zahlreiche Arbeitgeber Bescheide der jeweils zuständigen Behörde, mit dem Ergebnis, dass eine Erstattung für die ersten Tage der Absonderung nicht geleistet wird. Nach Ansicht der Behörden liege hier ein Fall des § 616 BGB vor, der zur Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber führe. Dies jedenfalls dann, wenn die Anwendbarkeit des § 616 BGB weder im Arbeitsvertrag noch durch einen anwendbaren Tarifvertrag ausgeschlossen sei.

Der Arbeitgeber sei aufgrund § 616 BGB verpflichtet, für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Verhinderung den Lohn auf eigene Kosten weiterzubezahlen. Als verhältnismäßig sehen die Behörden meist fünf Tage an, weshalb der Erstattungsanspruch oftmals erst für darüber hinausgehende Ausfallzeiten bewilligt wird.

Findet § 616 BGB in dieser Situation tatsächlich Anwendung?

Foto: Rechtsanwältin Annika Orth (Fries Rechtsanwälte, Nürnberg)
RAin Annika Orth

Für die Anwendbarkeit des § 616 BGB müsste ein persönliches Leistungshindernis der Arbeitnehmer*innen vorliegen. Nach unserer Auffassung ist das jedoch nicht der Fall. Dies deshalb, da Verfügungen und Anordnungen, die im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie stehen (insbesondere ein Tätigkeitsverbot oder eine Quarantäneverfügung), anders als von den Behörden angenommen auf einem „objektiven Leistungshindernis“ beruhen. Hierzu gehören nach allgemeiner Auffassung u. a. Unruhen, Krieg, Terror und auch Epidemien, die gerade keinen Fall des § 616 BGB darstellen.

 

Erstattung wurde für die ersten Tage des Ausfallzeitraums abgelehnt – und nun?

Foto: Rechtsanwalt Stephan Castelletti, Fachanwalt für Arbeitsrecht (Nürnberg)
RA Stephan Castelletti

Wurde entgegen dieser Argumentation der Ausfallzeitraum der beantragten Erstattung durch die zuständige Behörde um die ersten Tage gekürzt verbeschieden, so besteht die Möglichkeit, sich im Rahmen einer Klage / eines Widerspruchs hiergegen zu wehren.

Allerdings ist es wichtig, die hierfür geltende Frist zu beachten: Die Erhebung der Klage / des Widerspruchs ist nur innerhalb eines Monats nach Zugang bzw. Eingang des Bescheids möglich.

Sollten auch Sie von einem solchen Bescheid betroffen sein, beraten und unterstützen wir Sie gerne in dieser Angelegenheit.

 

Text: RA Martin Kühnlein, RA Stephan Castelletti und RAin Annika Orth
Titelbild: Bearb., Bild von Engin Akyurt auf Pixabay

 

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