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Der EuGH und der noch größere Abgasskandal

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Abgasskandal könnte Rückabwicklung zahlreicher Verträge auslösen

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird in den VW-Abgasskandalfällen wohl Schadensersatz zusprechen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beurteilt jetzt das von vielen Herstellern (unter anderem Mercedes, BMW) verwendete Thermofenster als unzulässig. Eine Einschätzung von Rechtsanwalt Dr. Erik Besold.

Autohersteller schaden sich selbst

Foto: Rechtsanwalt Dr. Erik Besold (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RA Dr. Erik Besold

Die Auswirkungen von Corona auf den Absatz von Pkw sind nicht nur volkswirtschaftlich höchst bedauerlich. Leider haben sich die Hersteller diverser Dieselfahrzeuge aber selbst zusätzlich geschadet, indem sie Motoren mit unzulässigen Abschalteinrichtungen oder Thermofenstern versehen haben. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass den Herstellern durch derartige Manipulationen ein weitaus größerer Schaden als durch coronabedingte Absatzschwierigkeiten drohen könnte.

Unzulässige Thermofenster sind sittenwidrig

Auftakt der schlechten Nachrichten war ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31.03.2020, Az. 7 O 67/19, in dem das Gericht bundesweit erstmals BMW wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten Thermofensters zum Schadensersatz verurteilt hat. Es sieht in der Verwendung eines unzulässigen Thermofenstern eine sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Käufers begründet, weshalb die Verjährung von Schadensersatzansprüchen wohl frühestens mit diesem Urteil beginnen dürfte.

Als Paukensschlag und Super-Gau zu werten ist sodann das Schlussplädoyer der EU-Generalanwältin Sharpston im Verfahren C-693/18. Nach deren Ansicht stellen Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2017 dar. Diese Entscheidung betrifft z.B. die Hersteller Mercedes, BMW und Opel. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Hersteller von dieser Entscheidung noch betroffen sein werden.

Rückabwicklung zahlreicher Verträge zu erwarten

Den vorläufigen Höhepunkt bildet schließlich die Äußerung des Bundesgerichtshofes im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.05.2020 im ersten vor dem Bundesgerichtshof verhandelten Verfahren betreffend den VW-Abgasskandal. Betroffen von den Manipulationen von VW ist dabei primär der Motor mit der Bezeichnung EA 189. Möglicherweise wird auch der Motor mit der Bezeichnung EA 288 betroffen sein. Nach den publizierten mündlichen Äußerungen des Bundesgerichtshofes wird den Klagen, gestützt auf eine sittenwidrige Schädigung durch VW, stattzugeben sein. Dabei wird der Bundesgerichtshof aber wohl eine Nutzungsentschädigung in Abzug bringen.

Die jüngsten Äußerungen von EuGH und BGH nur als wegweisend zu bezeichnen, dürfte untertrieben sein. Es ist mit einer Klage-Sturmflut, gerichtet auf Rückabwicklung zahlreicher Verträge, zu rechnen.

 

Text: Dr. Erik BesoldRechtsanwalt | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Titelbild.: Bearb., Bild von Andreas Lischka auf Pixabay

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