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Coronavirus: Wie können Arbeitgeber mit dem Thema umgehen?

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Letzte Aktualisierung: 05.06.2020

Das Thema SARS-CoV-2 (Coronavirus) stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Unser Arbeitsrechtsteam hat deswegen die häufigsten Fragen und Antworten für Arbeitgeber zusammengestellt (aktualisiert am 31.03.2020):

1: Darf ein Arbeitnehmer aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus der Arbeit fernbleiben?

Nein, die bloße Angst vor einer möglichen Infektion auf der Arbeit oder auf dem Weg dorthin berechtigt den Arbeitnehmer nicht, seiner Arbeit fernzubleiben.

 

2: Ein Arbeitnehmer bleibt zuhause, um sich um sein Kind zu kümmern, da die KiTa / Schule aufgrund des Coronavirus geschlossen ist. Steht ihm trotzdem sein Gehalt zu?

In diesem Fall kann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 616 BGB bestehen.

Eine Entgeltfortzahlung muss jedoch nur geleistet werden, wenn es sich um nur wenige Tage handelt. In der Regel werden hier 5 Tage als Obergrenze angesehen. Hier kann den Eltern zugemutet werden, das Kind auch kurzfristig in die Obhut Dritter zu geben oder die Kinder je nach Alter ohne Betreuung zuhause zu lassen.

Allerdings kann § 616 BGB durch Arbeits– oder Tarifvertrag ausgeschlossen oder konkretisiert sein. Außerdem kann gemeinsam mit dem Arbeitnehmer versucht werden, eine einvernehmliche Lösung zu finden. In Betracht kommt z.B. Abbau von Überstunden oder Arbeit im Home-Office.

Aktualisierung zum 27.03.2020:
Anspruch auf Entschädigung bei Lohnausfall durch Kita- oder Schulschließung

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) wurde geändert, die gesetzliche Neuregelung dürfte für eine deutliche Erleichterung bei Eltern und ihren Arbeitgebern sorgen. Nunmehr enthält § 56 Abs. 1a IfSG einen Entschädigungsanspruch für Eltern, die aufgrund von Kita- oder Schulschließungen nicht arbeiten können. Durch diesen Anspruch sollen Entgeltausfälle vermieden bzw. abgefedert werden.

Der Entschädigungsanspruch setzt voraus:

  • Behördliche Kita- oder Schulschließung zur Verhinderung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten (aktueller Fall Coronavirus)
  • Kind unter 12 oder aufgrund einer Behinderung besonders pflegebedürftig
  • Keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit

Gerade der letzte Punkt wird im Einzelfall zu prüfen sein, insbesondere die Möglichkeit der Betreuung durch ein anderes Elternteil, Homeoffice, Notbetreuung oder je nach Alter die Betreuung durch ältere Geschwister. Die Eltern müssen dies der Behörde bzw. dem Arbeitgeber gegenüber nachweisen. Wichtig ist ebenfalls, dass ein Entschädigungsanspruch nur dann besteht, wenn keine andere Möglichkeiten bestehen, den Entgeltausfall zu verhindern. Dazu zählt z.B. der Abbau von Zeitguthaben. An einem Entgeltausfall fehlt es bereits, wenn der Arbeitgeber nach § 616 BGB das Entgelt fortzahlen muss, dies kommt jedoch nur bei einer Verhinderung von wenigen Tagen in Betracht.

[Update vom 05.06.2020] Die Höhe der Entschädigung beträgt 67 % des Netto-Verdienstausfalls (maximal 2.016 €) und wird für maximal 10 Wochen gewährt. Bei Alleinerziehenden wird die Entschädigung für maximal 20 Wochen gewährt. Die Verlängerung des Zeitraums auf 10 bzw. 20 Wochen wurde vom Bundestag beschlossen und wird voraussichtlich auch vom Bundesrat gebilligt. Ausgeschlossen sind Zeiträume, in denen die Einrichtung ohnehin geschlossen wäre (Ferien). Der Arbeitgeber muss für die Entschädigungszahlung in Vorleistung gehen, erhält sie jedoch von der zuständigen Behörde (in Bayern ist das die jeweilige Bezirksregierung) erstattet. Der Antrag auf Erstattung ist binnen 12 Monaten zu stellen.

Diese Gesetzesänderung gilt ab dem 30.03.2020 und ist bis 31.12.2020 befristet.

3: Ein Mitarbeiter muss sich in behördlich angeordnete Quarantäne begeben, muss ich ihm trotzdem sein Entgelt zahlen?

Ja. Nach welcher Grundlage sich die Zahlung richtet, hängt aber von der konkreten Situation ab.

Ist der Betroffene tatsächlich während der Quarantäne arbeitsunfähig erkrankt, so richtet sich die Zahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), und der Arbeitnehmer hat Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung. Danach erhält er Krankengeld.

Wurde die Quarantäne wegen eines Infektionsverdachts angeordnet, so gibt es Ansichten, die in diesem Fall einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB bejahen. Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1978, dort wurde ein solcher Anspruch für die Dauer von 6 Wochen bei einem behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot bejaht. Allerdings erging diese Entscheidung noch zur alten Rechtslage des Bundesseuchengesetzes und für den Fall eines Tätigkeitsverbots, so dass dieses Urteil nach unserer Auffassung nicht zwingend auf die jetzige Situation und Rechtslage übertragbar ist. Wir halten hier eine Entgeltfortzahlung für maximal zwei Wochen aus § 616 BGB für begründbar.

Soweit § 616 BGB keine Anwendung findet bzw. im Arbeits- oder Tarifvertrag die Geltung von § 616 BGB ohnehin ausgeschlossen oder eingeschränkt worden ist, steht dem betroffenen Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 1, 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bis zur Dauer von 6 Wochen eine Entschädigungszahlung in Höhe des Verdienstausfalls zu, danach erhält der Arbeitnehmer Entschädigungszahlungen in Höhe des gesetzlichen Krankengelds. Diese Entschädigungszahlung ist in den ersten 6 Wochen zunächst vom Arbeitgeber zu bezahlen und wird dem Arbeitgeber von den Behörden erstattet. Für die Erstattung muss ein Antrag innerhalb von drei Monaten nach Ende der Quarantäne bei der zuständigen Behörde (bspw. Regierung von Mittelfranken) gestellt werden. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber auch einen Vorschuss bei der zuständigen Behörde beantragen.

 

4: Ist ein Arbeitnehmer während einer Quarantäne vollständig von seiner Arbeitspflicht befreit?

Ist der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig und ist mobiles Arbeiten am Quarantäneort möglich, ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen. In diesen Fällen steht dem Arbeitnehmer dann der normale arbeitsvertragliche Vergütungsanspruch zu.

 

5: Bei einem Mitarbeiter besteht Verdacht auf eine Corona-Infektion bzw. eine Infektion ist bestätigt, was muss ich tun?

Als Arbeitgeber unterliegen Sie einer allgemeinen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), einer besonderen Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) und den Bestimmungen zum Arbeitsschutz. Daraus erwachsen Aufklärungs- und Schutzpflichten. Ist ein Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert, ist der Arbeitgeber verpflichtet, betriebsintern darüber zu informieren und Schutzmaßnahmen zu treffen. Hierbei ist der Datenschutz zu beachten.

 

6: Muss mir ein Mitarbeiter mitteilen, wenn der Verdacht auf eine Corona-Infektion vorliegt oder bestätigt ist?

Bei dem Coronavirus handelt es sich um eine meldepflichtige Krankheit, der behandelnde Arzt muss Verdachtsfälle und bestätigte Infektionen an das Gesundheitsamt melden, das dann weitere Maßnahmen (z.B. Quarantäne) trifft, wodurch dann in der Regel auch der Arbeitgeber von der Infektion bzw. dem Verdacht einer Infektion erfährt.

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keine Diagnose mitteilen. Allerdings hat auch der Arbeitnehmer eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Ist der Arbeitnehmer an einer Krankheit erkrankt, die den Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber der übrigen Belegschaft verpflichtet, kann er zur Offenbarung der Diagnose verpflichtet sein. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr bei einer Infektion mit dem Coronavirus wird eine solche Verpflichtung auch beim Coronavirus anzunehmen sein.

 

7: Ein Arbeitnehmer verreist privat in ein Risikogebiet und erkrankt am Coronavirus – muss trotzdem Entgeltfortzahlung geleistet werden?

In diesen Fällen ist zu differenzieren. Hat das Auswärtige Amt wegen des Coronavirus eine Reisewarnung für das Gebiet ausgesprochen und verreist der Arbeitnehmer dennoch, kann ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens des Arbeitnehmers ausgeschlossen sein. Hat das Auswärtige Amt lediglich von Reisen in ein Gebiet abgeraten, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch.

 

8: Darf ich einen Mitarbeiter, der aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist, nach Hause schicken?

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung. Allerdings kann der Arbeitgeber einen Mitarbeiter nach Hause schicken, wenn die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers überwiegen. In Fällen, in denen der Mitarbeiter kürzlich in einem Risikogebiet war, überwiegen diese. Der Mitarbeiter darf daher nach Hause geschickt werden, allerdings behält er in diesen Fällen seinen Entgeltanspruch. Soweit in diesen Fällen keine behördliche Quarantäne angeordnet wird, kommt keine Erstattung der Entgeltkosten durch die Behörden in Betracht. Als Arbeitgeber sollten Sie daher zunächst prüfen, ob stattdessen eine Anordnung von Home-Office möglich ist.

 

9: Wie kann ich mich als Unternehmen vorbereiten?

Als Unternehmen sollten Sie vorsorglich Notfallpläne erstellen und ggf. mit dem Betriebsrat Betriebsvereinbarungen für derartige Fälle abschließen. Was konkret geregelt werden sollte, hängt vom jeweiligen Betrieb ab. Mögliche Inhalte sind z.B. besondere Vertretungsregeln, Notfalldienste, Festlegung von Ansprechpartnern, Festlegung von Informationswegen oder Regelungen in Fällen von Betriebsschließungen und zu Home-Office und mobilem Arbeiten. Außerdem sollte geprüft werden, ob auch die Vereinbarung von Kurzarbeit möglich ist.

 

10: Die zuständige Gesundheitsbehörde hat die vorübergehende Schließung des Betriebs angeordnet, was bedeutet das für die Entgeltzahlungspflicht?

Nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist auch in diesen Fällen das Entgelt fortzuzahlen, da eine solche behördliche Schließung in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers fällt. Zu den Fällen einer angeordneten Betriebsschließung vor dem Hintergrund einer Pandemie gibt es jedoch keine belastbare Rechtsprechung, so dass hier keine abschließende Aussage möglich ist. Es sollte in jedem Fall zunächst geprüft werden, ob möglicherweise arbeits- oder tarifvertraglich Regelungen zum Betriebsrisiko getroffen wurden und dadurch ein Anspruch in diesem Fall ausgeschlossen ist. Im Zweifel sollte unverzüglich Kurzarbeit „Null“ beantragt werden.

 

Ergänzung: Aufnahme von Nebenbeschäftigungen während Kurzarbeitergeldbezug

Ergänzung im Rahmen des am 27.03.2020 vom Bundestag beschlossene Corona-Krisenpakets: Bislang verkürzte das Einkommen aus einer neu aufgenommenen Nebenbeschäftigung den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, was die Aufnahme einer Nebentätigkeit während der Kurzarbeit wenig attraktiv machte.

Dies wurde nunmehr für Nebenbeschäftigungen in systemrelevanten Bereichen und Berufen geändert. Im Zeitraum vom 01.04.2020–31.10.2020 erfolgt unter bestimmten Umständen keine Kürzung des Kurzarbeitergelds mehr.

Nach den fachlichen Weisungen, die die Arbeitsagentur zu dieser Gesetzesänderung erlassen hat, erfolgt eine Anrechnung nicht, wenn

  • es sich entweder um einen Minijob (450 € - Job) handelt, oder
  • die Summe aus Kurzarbeitergeld, ggf. gezahlten Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld, dem reduzierten Arbeitsentgelt und aus dem Entgelt für die Nebenbeschäftigung das reguläre Entgelt nicht übersteigt. Dabei ist für alle Werte das jeweilige pauschalierte Netto-Entgelt maßgeblich.

Voraussetzung ist in allen Fällen außerdem, dass die Nebenbeschäftigung in einem systemrelevanten Bereich oder Beruf aufgenommen wird, dazu zählen z.B. Landwirtschaft, Lebensmittelversorgung oder medizinische Versorgung.

Wichtig: Hat der Arbeitnehmer schon vorher eine Nebenbeschäftigung ausgeübt, bleibt diese bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes immer außer Betracht, sofern das Ausmaß nicht erhöht wird.

(Letzte Aktualisierung: 07.04.2020)

 

11: Werde ich von den Behörden unterstützt?

Wenn Sie als Selbstständiger von einer behördlichen Maßnahme betroffen sind und dadurch Ihr Betrieb oder Ihre Praxis ruht, können Ihnen ggf. auf Antrag im angemessenen Umfang Betriebsausgaben erstattet werden, die während des Ruhens angefallen sind. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 56 Abs. 4 IfSG.

 

12: Wie sollte ich mich als Unternehmer in Zeiten von Corona verhalten?

Zunächst einmal gilt es Ruhe zu bewahren. Zu viel Aktionismus kann zur Verunsicherung der Belegschaft und unberechtigten Krankmeldungen führen.

Die nachfolgende Checkliste erleichtert es, den Überblick zu behalten:

  • Planung: Erstellen Sie einen Fahrplan für den Fall, dass Ihr Betrieb von dem Coronavirus betroffen wird. Mögliche Inhalte haben wir bereits oben ausgeführt.
  • Aufklärung: Klären Sie Ihre Mitarbeiter über Symptomatik und Übertragungswege des Coronavirus und über vorbeugendes Verhalten auf. Die BZgA stellt dafür auf infektionsschutz.de Materialien bereit.
  • Schutz: Stellen Sie Ihren Mitarbeitern Desinfektionsmittel und - je nach konkreter Situation - ggf. weitere Schutzausrüstung bereit, überdenken Sie größere Unternehmensveranstaltungen und vermeiden Sie, wenn möglich, Dienstreisen in Risikogebiete.
  • Arbeitsweise: Informieren Sie die Belegschaft, dass Telefon- und Videokonferenzen nunmehr persönlichen Meetings vorgezogen werden sollen, oder erweitern Sie, sofern möglich, die Möglichkeiten des Home-Office.
  • Weisungen: Sobald in Ihrem Betrieb ein deutlich höheres Infektionsrisiko besteht (z.B. weil bereits ein Verdachtsfall aufgetreten ist), dürfen und sollten Sie weitere Maßnahmen treffen. So kann z.B. das Tragen eines Mundschutzes angeordnet oder Händeschütteln untersagt werden. Mitarbeiter mit Krankheitssymptomen oder solche mit direktem Kontakt zum Betroffenen sollten nach Hause geschickt werden.
  • Ist ein Corona-Fall bei Ihnen aufgetreten, steht der Schutz der verbleibenden Mitarbeiter und die Verhinderung einer Ausbreitung im Vordergrund. Das weitere Vorgehen sollte in enger Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt erfolgen.

 

Falls eine Ihrer Fragen nicht beantwortet worden sein sollte, können Sie sich gerne direkt an unsere Anwältinnen und Anwälte aus dem Arbeitsrechtsteam wenden:

 

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