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Aktuelle Urteile zum neuen Wohnungseigentumsgesetz: Bauliche Veränderung auf Antrag einzelner Eigentümer

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Beitragsbild: Leiter und Malerplane vor frisch gestrichener Wand

Mitten in der Pandemie hat der Gesetzgeber bekanntlich ein neues, in Einzelbereichen deutlich geändertes Wohnungseigentumsgesetz (WEmoG) in Kraft gesetzt. Die unzähligen Neuregelungen stellen vor allem WEG-Verwalterinnen und -verwalter vor eine Vielzahl zusätzlicher Herausforderungen und Aufgaben. Um diesen ein Stück weit die Arbeit zu erleichtern, bespricht unser Immobilienteam hier aktuelle Urteile zum neuen WEmoG. Heute geht es um folgende Rechtsfrage:

Kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), die in einem früheren Beschluss eine bauliche Veränderung (hier: Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Aufzug) mit Verteilung der Kosten nur auf die antragstellenden Eigentümer beschlossen bzw. genehmigt hatte, dieselbe bauliche Veränderung nochmals – unter Aufhebung des bisherigen Beschlusses – beschließen? Diesmal allerdings mit Verteilung der Kosten auf alle Wohnungseigentümer (WE)?

Hierzu AG Kassel, Urteil vom 07.04.2022 - 800 C 3797/21:

Ein solcher Folgebeschluss ist unwirksam (also anfechtbar), wenn sich die Kosten nicht in angemessener Zeit amortisieren oder wenn die nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG erforderliche doppelt qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wurde.

Anmerkung Fries-Immobilienteam:

Foto: Rechtsanwalt Ralf Specht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
RA Ralf Specht

Die Regelung des § 25 Abs. 1 WEG sieht vor, dass auch betreffend baulicher Veränderungen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen Beschlüsse gefasst werden können, also bestimmte qualifizierte Mehrheiten nicht mehr erreicht werden müssen. Allerdings genügt diese einfache Mehrheit dann nicht, wenn der Beschluss über die bauliche Veränderung zugleich mit einer vom gesetzlichen Modell des § 21 WEG abweichenden Regelungen zur Kostentragung verknüpft ist. Dies ist hier der Fall.


Denn nach § 21 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. WEG hat derjenige WE die Kosten einer baulichen Veränderung i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG zu tragen, die aufgrund seines Verlangens bzw. seines Antrags durchgeführt werden soll.


Von dieser gesetzlichen Vorgabe kann wiederum nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Diese Voraussetzungen regelt § 21 Abs. 2 WEG. Danach bedarf es für einen Beschluss, der die Umlage der Kosten in diesen Fällen auf alle WE vorsieht

  • entweder einer doppelt qualifizierten Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile
  • oder einer Amortisation der Investitionen innerhalb einer angemessenen Zeit.


Dies bedeutet, dass ein Beschluss über eine dem antragstellenden WE gestattete oder von ihm nach § 20 Abs. 2 WEG beantragte bauliche Veränderung nur dann mit dem Inhalt, dass alle Miteigentümer anteilig die Kosten zu tragen haben, beschlossen werden kann, wenn

  • der Beschluss insgesamt die vom Gesetz vorgesehene Mehrheit erhalten hat, anderenfalls die Rechtsfolge nicht eintritt. Damit ruft die neue Gesetzeslage für diese Fälle ein Dilemma hervor, weil zwar die bauliche Veränderung isoliert mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könnte, eine Kostenregelung jedoch nicht. Dieses Dilemma löst das AG Kassel dahingehend, dass dann ein Beschluss über eine bauliche Veränderung insgesamt ungültig ist, wenn die vom Beschlusstext gewollte Kostenfolge – hier die anteilige Kostentragung aller Miteigentümerinnen und Miteigentümer nicht eintreten kann.


Für die zweite Variante des § 21 Abs. 2 WEG,

  • die zeitnahe Amortisation der Kosten als Rechtfertigung für eine allseitige Kostenlast, ist der antragstellende WE darlegungs- und beweispflichtig. Erforderlich ist dabei der Nachweis, dass innerhalb eines abgrenzbaren Zeitraums der Aufwand durch einen Geldzufluss (vermehrte Einnahmen) oder einen verminderten Abfluss anderweitiger Ausgabenpositionen (Kostenersparnis) überkompensiert wird, weil nur dann von einer Amortisation die Rede sein kann. Eine lediglich abstrakte Wertsteigerung reicht dafür nicht aus. Denn eine Wertsteigerung steht immer unter dem Vorbehalt, dass sie auch realisierbar ist. Sie bleibt damit im Bereich der reinen Spekulation.

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