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Wenn Arbeitnehmer von einer in die nächste Krankheit rutschen

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Was die „Einheit des Verhinderungsfalles“ für die Entgeltfortzahlung bedeutet

Foto: Rechtsanwalt Stephan Castelletti (Fachanwalt für Arbeitsrecht)
RA Stephan Castelletti

Erkrankt ein Arbeitnehmer während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an einer neuen (medizinisch unterschiedlichen) Krankheit, liegt nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein sogenannter „einheitlicher Verhinderungsfall“ vor. Was das genau für den Arbeitgeber in Sachen Entgeltfortzahlung bedeutet, erklärt Stephan Castelletti, Fachanwalt für Arbeitsrecht.


Die neue Erkrankung löst in solchen Fällen keinen erneuten 6-wöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum aus. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet stattdessen sechs Wochen nach Beginn der ursprünglichen (ersten) Erkrankung.

Ein Beispiel: Der Arbeitnehmer ist ab dem 03.02.2020 wegen einem grippalen Infekt für zwei Wochen krankgeschrieben. In der zweiten Krankheitswoche erleidet er einen Beinbruch, weshalb er für weitere sechs Wochen arbeitsunfähig bleibt. Der Arbeitgeber schuldet nicht für die vollen acht Wochen der Arbeitsunfähigkeit, sondern nur für die ersten sechs Wochen (bis 15.03.2020) Entgeltfortzahlung. Für die letzten beiden Wochen der Arbeitsunfähigkeit erhält der Arbeitnehmer dann Krankengeld von der Krankenkasse.

 

Erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch bei „kurzzeitiger Genesung“

Die neu aufgetretene Krankheit löst zugunsten des Arbeitnehmers nur dann einen „neuen“ Entgeltfortzahlungsanspruch aus, wenn zu Beginn der zweiten Erkrankung die erste Erkrankung ausgeheilt war, der Arbeitnehmer also zwischen der ersten und der zweiten Erkrankung arbeitsfähig gewesen ist, wobei die erforderliche „kurzzeitige Genesung“ nach der Rechtsprechung auch auf einige wenige, in der Freizeit oder am Wochenende liegende Stunden fallen kann.

 

Der Arbeitnehmer in der Beweislast

Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der „Einheit des Verhinderungsfalles“ wurde unlängst vom Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Entscheidung vom 11.12.2019 (5 AZR 505/18) bestätigt. Das BAG stellte erneut fest, dass der Arbeitnehmer im Entgeltfortzahlungsstreit beweisen muss, wann seine krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeiten begonnen und wann sie geendet haben. Entsprechend dieser Beweislastregel entschied das BAG zulasten der klagenden Arbeitnehmerin, da diese trotz Beweisaufnahme, in deren Rahmen die behandelnden Ärzte als Zeugen vernommen wurden, nicht beweisen konnte, dass ihre ursprüngliche („erste“) Erkrankung im Zeitpunkt des Eintritts der neuen Arbeitsunfähigkeit beendet gewesen ist.

Angesichts der aufgezeigten Rechtslage empfiehlt es sich aus Arbeitgebersicht, insbesondere in Fällen, in denen Arbeitnehmer nach Ablauf einer Arbeitsunfähigkeit unmittelbar eine neue ärztliche „Erstbescheinigung“ vorlegen, vor Gewährung der Entgeltfortzahlung eine sorgfältige Sachprüfung vorzunehmen.

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