Themen

Archiv

Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt im Juli in Kraft – was Unternehmen jetzt wissen und beachten müssen

| von

Titelbild: Die Anonymität von Whistleblowern muss gewahrt werden

Nun ist es also so weit: Am 02.07.2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nach langem Hin und Her in Kraft. Was Unternehmen beachten müssen, erklären Ihnen unsere Arbeitsrechts-Experten.

Worum geht’s beim Hinweisgeberschutzgesetz?

Foto: Rechtsanwalt Dr. Michael Au (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RA Dr. Michael Au

Das Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, Hinweisgeber („Whistleblower“), die auf Straftaten oder andere Missstände in Unternehmen oder Organisationen aufmerksam machen, besser vor Nachteilen zu schützen. Dieser Zweck soll durch die Einrichtung sicherer interner Systeme, sogenannter „interner Meldestellen“, erreicht werden.

Dabei gilt das HinSchG umfassend für die Meldung oder Offenlegung von Verstößen gegen geltendes Recht; unabhängig davon, ob es sich um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten handelt. Damit das Gesetz angewendet werden kann, müssen sich die Hinweise auf den Arbeitgeber des Whistleblowers oder ein Unternehmen in seinem beruflichen Kontext beziehen.

Welche Unternehmen sind vom Hinweisgeberschutzgesetz betroffen?

Foto: Rechtsanwalt Dennis Hammer (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RA Dennis Hammer

Durch das Gesetz werden Unternehmen und Organisationen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten und zu betreiben, an die sich (potentielle) Hinweisgeber wenden können. Während kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten für die Umsetzung bis zum 17.12.2023 Zeit haben, müssen größere Unternehmen die entsprechenden Meldestellen mit Inkrafttreten des Gesetzes, also schon unmittelbar ab dem 02.07.2023, zur Verfügung stellen. In Konzernen besteht die Option, eine Meldestelle für sämtliche Tochterfirmen einzurichten.

Sofern es im Betrieb einen Betriebsrat gibt, ist dieser mit einzubeziehen. Zwar lässt das Hinweisgeberschutzgesetz dem Unternehmen als Arbeitgeber durchaus Gestaltungsspielräume; die konkreten Ausgestaltungen können jedoch im Einzelfall der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen.

Wie genau werden Whistleblower geschützt?

Das Gesetz geht davon aus, dass die Unternehmen ihre Meldesysteme in der Regel mit einer internen Meldestelle aufbauen. Der Zugang zu dieser muss dem Hinweisgeber mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich möglich sein. Die Unternehmen sind nicht verpflichtet, anonyme Meldungen zu ermöglichen – diese sollen nun nur noch lediglich bearbeitet werden.

Da der eigentliche Zweck des Hinweisgeberschutzgesetzes darin besteht, Whistleblower vor arbeitsrechtlichen Repressalien zu schützen, enthält das Gesetz eine Beweislastumkehr zu deren Gunsten: Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit benachteiligt, wird gesetzlich vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Hierunter versteht das Gesetz Handlungen oder Unterlassungen, die eine Reaktion auf die Mitteilung des Whistleblowers darstellen und zu einem ungerechtfertigten Nachteil für diesen führen oder führen können. Die Vermutung soll jedoch nur gelten, wenn der Whistleblower dies geltend macht. Wie sich dies in der Praxis auswirken wird – z. B. welche Anforderungen der Whistleblower erfüllen muss, um eine Repressalie darzulegen – bleibt vorerst abzuwarten. Im Übrigen sind Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz bußgeldbewehrt und können mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 € geahndet werden.

Unternehmen sollten die Identität von Whistleblowern insbesondere im Zusammenhang mit personellen Entscheidungen schützen

Foto: Rechtsanwalt Stephan Castelletti (FRIES Rechtsanwälte, Nürnberg)
RA Stephan Castelletti

Im Umgang mit Whistleblowern ist Umsicht geboten. Wird ihre Identität bekannt, kann es eine Repressalie im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes darstellen, wenn man die hinweisgebende Person bei einer in Aussicht genommenen Beförderung nicht berücksichtigt, sie versetzt oder eine Befristung nicht verlängert. Das interne Meldesystem sollte daher sicherstellen, dass die Identität des Whistleblowers geschützt wird – und insbesondere nicht im Zusammenhang mit Entscheidungen über personelle Maßnahmen bekannt wird oder werden kann.

Sollte dies nicht möglich sein, raten wir dazu, die Entscheidungsprozesse sachlich zu dokumentieren, damit die Entscheidung nachvollziehbar wird und so zumindest die Möglichkeit besteht, die laut Gesetz vermutete Repressalie zu widerlegen. Kann das Unternehmen die Vermutung nicht widerlegen, drohen neben Bußgeldern auch Schadensersatzansprüche des Whistleblowers.

Unternehmen, die sich bis jetzt noch nicht um die Einrichtung und den Betrieb entsprechender Meldestellen gekümmert haben, sollten dies nun in die Wege leiten. Der Aufwand, den die Einrichtung einer internen Meldestelle erfordert, sollte nicht unterschätzt werden. Aus diesem Grund sollten Arbeitgeber entsprechend Zeit für die Umsetzung bzw. den Betrieb der Meldestelle einplanen. Alternativ können Unternehmen auch externe Dritte, z. B. Rechtsanwaltskanzleien, mit der Übernahme der Funktion als „interne Meldestelle“ beauftragen.

Zurück